Hermannsweg, Etappe 6: Von Steinhagen bis Oerlinghausen

Die Natur ist das einzige Buch, das auf allen Blättern großen Gehalt bietet.

Dieses treffende Zitat aus Goethes italienischen Briefen begleitete mich heute auf meinem Marsch. Ich fand es auf einem Gedenkstein oberhalb von Bielefeld. Dem ollen Goethe hätte es hier oben auch gut gefallen. Das Areal ist wirklich hübsch.

Ruhrbank, umwuchert von Bärlauch
Eine Bank im Bärlauchfeld
Der Tag hatte auch schon gut begonnen. Es gibt dann doch einen alternativen Zuweg zum Hotel. Man muss ihn nur finden. Oder fragen. Ich habe beides getan und dann den Anstieg zum Hermannsweg genossen.

Hinweisschild vor zusammengewachsenen Buchen
Dinge gibt’s. Diese zusammengewachsenen Bäume haben ihre eigene Gedenktafel.
Kurz vor Bielefeld dann die Sensation: Ich habe meinen ersten Wolf auf dieser Tour gesehen! Okay, im Gehege. Im Tierpark Olderdissen. Eine schöne Anlage mit vielen Spiel-Möglichkeiten für Kinder. Wenn es mich mal mit meiner Familie hierhin verschlagen sollte, weiß ich, wo wir hingehen.

Die Sparrenburg in Bielefeld
Die Sparrenburg in Bielefeld
Dann der Zivilisationsschock: Bielefeld. Eine Stadt! Na ja, sowas wie. Glücklicherweise ist der Verlauf des Hermannweges so, dass man schnell wieder raus ist. Noch ein kurzer Blick nach rechts zur Sparrenburg – und dann nichts wie weg.

Aussichtsturm Eisener Anton
Der Eiserne Anton
Als ich gefühlt schon fast da war – vorher noch flugs ein Ausblick vom „Eisernen Anton“, einem Aussichtsturm aus dem Jahre 1895 – gaben mir die Wegweiser Rätsel auf. Zweimal das vertraute H auf dem Wegweiser. Einmal keine drei Kilometer, einmal gute fünf. Fünf? Kurz die Füße konsultiert … also gut, fünf. So hatte ich am Ende des Tages dann doch wieder 24 Kilometer auf dem Tacho – und mir Apfelschorle UND Weizen bei der Ankunft mehr als verdient. Zisch!

Blick auf Oerlinghausen, eingebettet in bergige Waldlandschaft
Das Ziel in greifbarer Nähe: Oerlinghausen
volle Distanz: 23.85 km
Maximale Höhe: 316 m
Minimale Höhe: 116 m
Gesamtanstieg: 787 m
Gesamtabstieg: -706 m

Hermannsweg, Etappe 5: Von Borgholzhausen nach Steinhagen

Heute morgen in der Apotheke von Borgholzhausen. Ich will meinen Blasenpflaster-Vorrat auffüllen. Neben mir ein alter Mann mit AOK-Chopper. Der kriegt mit, was mein Begehr ist und frotzelt: „Der Mann wandert, da kriegt man doch keine Blasen!“ Mein Blick streift kurz sein Gefährt, ich schlucke den bitterbösen Spruch runter und entgegne nur kühl, ich bräuchte dann wohl mal ein Paar neue Schuhe.

Und das stimmt wohl auch. Denn inzwischen gehört es zur unschönen Begleiterscheinung meiner Touren, dass ich mir die Haxen wund laufe. Dabei müssten diese Schuhe doch nun wirklich eingelaufen sein. Viele hunderte Kilometer haben die schon hinter sich, haben isländischen und kanarischen Boden geküsst, Furchen durch den Tiefschnee gezogen. Auch heute haben sie mich wieder treu 23 Kilometer getragen. Ich traue mich kaum, es zu schreiben, weil ich nicht weiß, was mich dann in den kommenden drei Tagen erwartet, aber ich fürchte, vor der nächsten Tour muss mal neues Schuhwerk ran. Für sowas wie den Hermannsweg braucht man ja nun auch wirklich keine steigeisenfeste Meindl. Eigentlich.

Ravensberger Burg
Die Ravensberger Burg, liebevoll restauriert
Ganze sieben Kilometer dauerte es heute, bis ich handfesten Waldboden unter den Füßen hatte. Vorher nur Asphalt und Forstwege. Nett anzuschauen war die Landschaft trotzdem. Unter anderem lag die Ravensberger Burg auf der Strecke. Klein aber fein, sehr liebevoll restauriert.

Blick von der Kaiser-Friedrich-Hütte Richtung Porta Westfalica
Blick von der Kaiser-Friedrich-Hütte Richtung Porta Westfalica
Gegen Ende wurde der Weg richtig lauschig. Im letzten Drittel bot sich ein toller Ausblick von der Kaiser-Friedrich-Hütte. Hier trampelt sich das Volk am Wochenende wahrscheinlich tot. Allzu nah ist die nächste Gastronomie …
Wanderweg, gesäumt von Eichen
Wandern unter’m Eichen-Tunnel
Wer ist Peter? Diese Frage hat mich fast den ganzen Tag beschäftigt. Die inflationär auftauchenden Wegweiser „Peter auf’m Berge“ machten mich neugierig. Wer hockt da auf dem Hügel? Kenne ich den Peter gar?

Wegweiser mit verschiedenen Richtungsanzeigen
Wer ist Peter?
Die Antwort bekam ich dann kurz vor Ende der Tour. Und sie war schnöde: „Peter auf’m Berge“ ist ein Ausflugslokal mit angeschlossenem Hotel. Beliebt offenbar. Großer Parkplatz. Hätte ich doch mal hier genächtigt. Dann hätte ich mir den letzten furchtbaren Kilometer des Tages sparen können. Steile und enge Landstraße. Seitenstreifen? Fehlanzeige! Und dann Feierabendverkehr. Na prima. Aber was hilft’s, Augen auf und durch.

Entgegen meiner Gewohnheit musste ich mich für den Stress auf den letzten Metern dann direkt bei meiner Ankunft mit einem Weizen entschädigen. Normalerweise warte ich bis zum Abendessen. Aber die Terasse war so verlockend. Und das Zeug soll ja isotonisch wirken. Der Kellner trug einen schwarzen Anzug und Fliege. Wie aus einer anderen Zeit. Aber damit passte er zu dem Hotel, das seine besten Zeiten hinter sich hat. Ist aber sauber und hat Charme. So oder so: Ich werde bestimmt wieder bombig schlafen.

volle Distanz: 23.28 km
Maximale Höhe: 311 m
Minimale Höhe: 114 m
Gesamtanstieg: 793 m
Gesamtabstieg: -802 m

Hermannsweg, 4. Etappe: Von Bad Iburg nach Borgholzhausen

Das war dann schon ein bisschen anstrengend heute. 25,3 Kilometer, also doch noch mal mehr als gestern. Und vor allem ging es auch endlich mal ein bisschen auf und ab. 1.750 Höhenmeter habe ich so angesammelt.

Das Hotelzimmer in Borgholzhausen ist eher ein Gartenverschlag, und Essen gibt’s im Hotel auch nicht. Na ja, also ab um die Ecke in die erstbeste Pizzeria. Viel Auswahl hast du hier eh nicht.

Die heutige Etappe war die bisher naturbelassenste und einsamste. Man könnte auch sagen: die Pesto-Passage. So viel Bärlauch habe ich meinen Lebtag noch nicht gesehen.

Weg im Wald, gesäumt von dicht wachsendem Bärlauch
Pesto-Passage: Bärlauch, so weit das Auge reicht.
Fast die ganze Zeit war ich im Wald unterwegs und traf kaum eine Menschenseele. Herrlich! Auch der Weg selbst war ansatzweise wild. Endlich mal ein paar mehr Huckel, stehende Pfützen in Treckerreifenfurchen und Fußangeln. Na ja, richtig wild ist anders. Aber nach den vielen Asphaltwegen und gut ausgebauten Wanderautobahnen der vergangenen Tage eine eindeutige Steigerung. Ich habe den Eindruck: Der Hermann wird allmählich verwegener.

Zwei Ponys auf der Weide, im Hintergrund Rapsfeld
Land-Idyll nahe der Noller Schlucht
Gestern dachte ich, was die Bäume wohl zu erzählen hätten, wenn sie sprechen könnten. Heute kamen mir die Muscheln in den Sinn. Schließlich trampelte ich denen heute die ganze Zeit auf der Mütze rum. Na ja, die sind schon zig Millionen Jahre tot und hinreichend fragmentiert, können sich also nicht mehr beschweren. Das „Gebirge“ hier besteht zu großen Teilen aus Kalkstein. Auf weiten Teilen des Kamm-Weges lugten zahllose weiße Steine aus dem Boden hervor. Besonders augenscheinlich wird die geologische Geschichte der Region an den Wurzeltellern umgestürzter Bäume.

Typischer Wurzelteller mit reichlich eingelagerten Kalksteinen
Typischer Wurzelteller mit reichlich eingelagerten Kalksteinen
Einen guten Blick aufs Ganze bekommt man von den beiden Aussichtstürmen aus, die heute auf meinem Weg lagen, dem Turm auf der Steinegge und dem Luisenturm. Wenn nur die steilen Treppen nicht wären. Aber ich habe sie mir trotzdem gegeben. Beide.
Blick vom Aussichtsturm auf der Steinegge
Blick vom Aussichtsturm auf der Steinegge

Das Ziel fest im Blick: Borgholzhausen, fotografiert vom Luisenturm
Das Ziel fest im Blick: Borgholzhausen, fotografiert vom Luisenturm
volle Distanz: 25.29 km
Maximale Höhe: 318 m
Minimale Höhe: 103 m
Gesamtanstieg: 867 m
Gesamtabstieg: -889 m